Speech by Helmut Himmelsbach, member of the Congress of Local and Regional Authorities
(German version only)
Forum des Europarates zur Zukunft der Demokratie
Workshop 2: Elektronische Beteiligung auf lokaler Ebene
Madrid, Donnerstag, 16. Oktober 2008
Helmut Himmelsbach: Einsatz elektronischer Werkzeuge bei städtischer / räumlicher Planung
Using e-tools in urban/spatial planning
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich zunächst dem Sekretariat des Kongresses meinen Dank aussprechen für die Einladung zu diesem Forum und besonders Herrn Dr. Remmert für die notwendigen Abstimmungen im Vorfeld. Ich freue mich, dass ich heute bei diesem Workshop Gelegenheit habe, einige Aspekte zu diesem wichtigen Thema vorzutragen.
Das Internet hat sich längst als Alltagsmedium etabliert. Es ist für uns selbstverständlich geworden, Flüge oder Hotelübernachtungen über das Internet zu buchen oder Einkäufe über das Internet zu tätigen. Vor zehn Jahren konnten sich die meisten von uns das noch gar nicht vorstellen. Warum, so lautet die naheliegende Frage, sollten wir dann nicht auch die Möglichkeiten des Internets nutzen, um die Demokratie zu stärken und um Krisensymptomen wie Politikverdrossenheit oder geringer Wahlbeteiligung entgegenzuwirken?
Der Europarat hat sich dieses Themas schon frühzeitig angenommen. Er hat einen Arbeitsschwerpunkt gebildet zu „Good governance in der Informationsgesellschaft“. Weiterhin wurde das Ad hoc – Komitee zu e-democracy (Comittee on E-Democracy of the Council of Europe - CAHDE) eingesetzt, das die Aufgabe hat, vertieft die Chancen und Risiken von e-democracy zu analysieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Es liegen auch bereits eine ganze Reihe von Resolutionen und Empfehlungen des Kongresses zum Themenkreis Bürgerbeteiligung und Informationsgesellschaft vor.
Ein wichtiger Meilenstein war das Symposion zu e-democracy, das vom Europarat sowie vom Kongress der Gemeinden und Regionen Europas im April 2007 veranstaltet wurde. Es bildete die Grundlage für zwei Berichte des Kongresses, in denen das Thema gezielt aufgearbeitet wurde für die lokale Politikebene.
So hat sich der Ausschuss für Kultur und Bildung mit dem Aspekt "Elektronische Werkzeuge: Eine Antwort auf die Bedürfnisse lokaler Behörden" befasst.
Im Ausschuss für nachhaltige Entwicklung habe ich als Berichterstatter das Thema "Elektronische Demokratie und freiwillige Beteiligung an urbanen Projekten" vorbereitet.
Für beide Berichte wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet, die in der diesjährigen Plenarsitzung des Kongresses verabschiedet wurden. Bevor ich etwas zu diesen Empfehlungen sage, lassen Sie mich jedoch zunächst einige wesentliche Punkte der beiden Berichte herausstellen.
Entscheidungen, die auf der Ebene der Städte und Gemeinden getroffen werden, betreffen die alltägliche Lebenswelt der Bürger häufig direkt und sichtbar. Daher sind die Kommunen besonders prädestiniert, Verfahren der E-democracy zu nutzen.
Internet-gestützte Werkzeuge wie z. B. Webformulare, Online-Foren, Chatrooms, Online-Umfragen bis hin zu Referenden eröffnen neue Möglichkeiten: Es geht hier um mehr als um bloße Information. Diese Werkzeuge erlauben vielmehr Dialogprozesse über das Internet und sind geeignet, die Bürger anhand neuer Kommunikationskanäle in Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse einzubinden.
Die Vorteile von E-democracy sind auf den ersten Blick sichtbar: Die Bürger müssen sich nicht an bestimmte Zeiten halten wie z. B. bei einer Versammlung. Der Aufwand für An- und Abfahrt entfällt. Niemand ist gezwungen, vor einer großen Menschenmenge sprechen.
Freilich ist zu bedenken, dass Technologie alleine noch lange nicht zu einer besseren Politik führt. Dasselbe elektronische Werkzeug kann zu sehr verschiedenen Ergebnissen führen, je nachdem, wie es angewandt und mit anderen Werkzeugen kombiniert wird. Bei einem Online-Forum beispielsweise ist der Erfolg davon abhängig, wie gut es moderiert wird, ob es am Schluss eine verständliche Zusammenfassung der wesentlichen Punkte gibt und ob von Anfang an Transparenz herrscht, was mit den Ergebnissen im politischen Prozess geschieht.
Schließlich möchte ich die Bedeutung des Internets für Bau- oder Infrastrukturprojekte betonen. Denn die Information hierzu kann optimal gefiltert und visualisiert werden. Zum Einsatz kommen vor allem internetbasierte Geodatensysteme und dreidimensionale Stadtmodelle. Solche Stadtmodelle ermöglichen die Simulation und Visualisierung von Planungsentwürfen. Dadurch ist es jedem Bürger möglich, sich am eigenen Bildschirm ein Urteil zu bilden, bevor eine Entscheidung über die Realisierung getroffen wird.
Wie ist es nun gegenwärtig bestellt um E-democracy auf lokaler Ebene?
Die Berichte zeigen, dass es interessante Beispiele von good practices für viele Formen der Beteiligung in Europa gibt. Es existieren kreative Ideen und Ansätze. Lassen Sie mich als ein Beispiel die englische Stadt Bristol nennen, die ihren Bürgern per Internet die Möglichkeit bietet, elektronische Petitionen zu verfassen und Unterschriften zu sammeln, die dann im Stadtrat beraten werden müssen.
Allerdings zeigen verschiedene Studien, dass das Internet bislang vorwiegend dafür verwendet wird, Information bereitzustellen und Fragen oder Kommentare der Bürger zu sammeln. Eher selten wird es bislang von Städten und Gemeinden für einen Dialog oder für bindende Abstimmungen verwendet.
Beide Berichte kommen zu dem Schluss, dass sich die Verwendung elektronischer Werkzeuge für E-democracy immer noch in einem Stadium von Einzelerfahrungen befindet. Wir haben einen Bedarf an systematischer Untersuchung, wie E-democracy – Werkzeuge am besten eingesetzt werden. Die verschiedenen Politikebenen – national, regional und lokal – sollten den Erfahrungsaustausch auf diesem Gebiet intensivieren und die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Softwareentwicklern vertiefen. Wir brauchen Richtlinien, Evaluierung, good practise-Beispiele und Unterstützung für die kommunale Ebene.
Auch wenn bei der Verwendung elektronischer Werkzeuge noch viele Fragen offen sind, können wir doch eine Reihe von Erfolgsfaktoren für E-democracy benennen.
Jedes elektronische Werkzeug hat Vorteile und Nachteile. Deshalb muss der Einsatz dieser Werkzeuge gut vorbereitet sein. Den Bürgern müssen frustrierende Erlebnisse mit E-democracy erspart bleiben. Ein wesentliches Element ist hierbei die Transparenz von Beginn an darüber, inwieweit den Bürgern echte Mitentscheidungsbefugnisse eingeräumt werden.
Die Informationen müssen aus der Fachsprache in die Alltagssprache übertragen werden. Erst dadurch wird die Information für die Bürger interessant und aktivierend.
Es wird noch lange Zeit so sein, dass nicht jeder Bürger Zugang zum Internet hat. Ich spreche hier von der allseits bekannten digitalen Kluft. Deshalb können E-democracy – Projekte immer nur ergänzend zu den bisherigen Wegen der Bürgerbeteiligung angeboten werden. Bei allen Beteiligungsverfahren muss sichergestellt sein, dass kein Bürger benachteiligt wird, nur weil er keinen Zugang zum Internet hat. Ein unbedachter Einsatz der neuen Medien könnte den politischen Prozess eher schwächen als stärken.
Der parallele Einsatz von E-democracy - Werkzeugen und von traditionellen Verfahren der Bürgerbeteiligung bedeutet, dass Zusatzkosten anfallen, die auch finanziert werden müssen. Auf Dauer können die Gemeinden diese Kosten nicht alleine schultern, übergeordnete politische Ebenen oder private Sponsoren sind gefragt.
Elektronische Werkzeuge der Bürgerbeteiligung benötigen eine angepasste technische Ausstattung. Angesprochen ist vor allem der Breitbandzugang zum Herunterlanden von Landkarten und Plänen. Hier ist ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass gerade die ländlichen Regionen mit Breitbandinfrastruktur ausgestattet werden. Denn nicht nur Großstädte, sondern auch kleinere Städte und Gemeinden müssen ihren Einwohnern einen leistungsfähigen Internetzugang bieten, um Verfahren des E-democracy nutzen zu können.
Meine Damen und Herren,
wichtige Bausteine für die weitere Förderung von E-democracy auf lokaler Ebene finden sich in den Empfehlungen und der Resolution, die zu den genannten beiden Berichten vom Kongress im Mai diesen Jahres verabschiedet wurden. Lassen Sie mich kurz die wesentlichen Inhalte erläutern.
In den Empfehlungen wird das Ministerkomitee aufgerufen, sich mit folgenden Punkten an die Mitgliedstaaten des Europarates zu wenden.
Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Bürgerbeteiligung, besonders im Bereich der nachhaltigen Stadtentwicklung;
Durchführung von nationalen Beteiligungsverfahren zum Ausbau vor allem der Breitband – Infrastruktur;
Wahrnehmung der Vorbildfunktion der nationalen Ebene für den Einsatz des Internets für öffentliche Beteiligung;
Unterstützung der Gemeinden bei ihren Initiativen zur Anwendung von elektronischer Beteiligung und Unterstützung des Erfahrungsaustausches.
In der Resolution ruft der Kongress die Gemeinden in den Mitgliedstaaten zu einer Reihe von Maßnahmen auf:
Elektronische Bürgerbeteiligung soll über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus angeboten werden.
Traditionelle Beteiligungsverfahren sollen parallel zu elektronischen Verfahren eingesetzt werden, so dass weiterhin jedermann die Möglichkeit hat, sich beteiligen.
Ermutigung der Bürgerschaft zu eigenen Initiativen der Bürgerbeteiligung.
Abbau von Ungleichheiten beim Internetzugang.
Schulung von Verwaltungsmitarbeitern, von gewählten Vertretern und, falls notwendig, auch von Bürgern zu elektronischer Verfahren.
Bewusstseinsbildung zur Wichtigkeit von Bürgerbeteiligung und E-democracy.
Ich denke, dass wir mit diesen Ansätzen gezielt die Potentiale der E-democracy erschließen können. Elektronische Werkzeuge sind kein Allheilmittel, aber sorgfältig eingesetzt, können sie dazu beitragen, die Demokratie auf der lokalen Ebene zu stärken.
Meine Damen und Herren,
ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und stehe nun für Fragen gerne zur Verfügung.
Vielen Dank!